Für eine alkoholfreie Migros

Während die meisten psychoaktiven Substanzen verboten sind, dürfen Alkohol und Tabak nicht nur verkauft, sondern obendrein beworben werden – völlig ungeachtet ihres hohen Schadens-, Abhängigkeits- und Gesundheitsrisikos. Die permanente Verfügbarkeit von Alkohol zu tiefsten Preisen und die Dauer-Präsenz von Alkohol-Werbung mit ihren fragwürdigen Werbeversprechen verlangen nach einer neu gedachten Regulierungsdebatte. Die Arud spricht sich deshalb klar für den Verbleib des Alkoholverbots bei der Migros aus, über den die Genosserschafter:innen bis zum 4. Juni 2022 abstimmen können.
Von Antje Babbe, 24. Mai 2022



Kulturgut Alkohol – Genuss mit Suchtpotential

Alkohol wird seit Menschengedenken als Genuss-, Rausch-, Heil- und Nahrungsmittel gebraucht. Bier, Wein, gebrannte Wasser in unseren Breiten oder Kaktusschnaps und vergorene Stutenmilch anderswo waren und sind Kultur- und Konsumgüter mit symbolischer wie auch ökonomischer Bedeutung. Getrunken wird er um zu geniessen, zu entspannen, um abzuschalten oder zu feiern – Alkohol ist und bleibt ein fester Bestandteil des Lebens, er gehört für viele Menschen einfach dazu.

Doch trotz seiner Geschichte und dem Status „legal“ – mit völlig unzureichender Regulierung – gehört Alkohol mit zu den schädlichsten Substanzen. Das Suchtpotential und die Schädlichkeit von Alkohol wird im Vergleich zu anderen psychoaktiven Substanzen oft unterschätzt. Dabei liegt das Suchtpotential von Alkohol nur geringfügig unter dem von Heroin oder Kokain.

Arud für strengere Regulierung von Alkohol

Trotz des beträchtlichen Suchtpotentials und der ausgeprägten Schädlichkeit ist Alkohol problemlos, wenn gewünscht in rauen Mengen, zu jeder Tages- und Nachtzeit erhältlich und das zu einem vergleichsweise günstigen Preis. Die Hersteller heizen den Konsum mit Werbung noch weiter an und animieren so möglicherweise auch gefährdete Personen, die Alkohol bisher nicht oder wenig risikoreich konsumierten, zu einem zunehmend problematischen Konsum. In der Schweiz ist es nach wie vor erlaubt, alkoholische Getränke im Fernsehen, Radio, auf Plakaten und im Internet zu bewerben. Und so ist es dann auch nicht verwunderlich, dass jede fünfte in der Schweiz lebende Person über 18 Jahren ein risikoreiches Trinkverhalten aufweist.

Vor allem Jugendliche sind für die verheissungsvollen Lifestyle-Versprechen, die über die Alkohol-Werbekampagnen vermittelt werden und die tiefen Preise äusserst empfänglich. Doch es sind nicht nur die Versprechungen, sondern vor allem die Gestaltung der Werbeanzeigen, die unterschwellig die Botschaft vermitteln, dass Trinken einerseits «einfach dazugehört» und andererseits «völlig problemlos» sei, sonst würden die Produkte ja nicht beworben. Dabei ist vielen Menschen gar nicht bewusst, dass ein frühzeitiger Einstieg und Konsum von Alkohol die Suchtgefahr noch zusätzlich erhöht.

Regulierung nach Schadenspotential

Die Suchtpolitik unterscheidet zwischen legalen und illegalen psychoaktiven Substanzen. Die Grundlage für diese Unterscheidung ist unklar – auf medizinischer Basis erfolgte dies jedenfalls nicht. Und so sind die legalen Substanzen Alkohol und Tabak in der Schweiz zu relativ günstigen Preisen und mit konsumanimierender Werbung überall erhältlich, während der Anbau, Verkauf und teilweise auch der Konsum von anderen Substanzen, wie Cannabis, Kokain oder Heroin, strafrechtlich verfolgt werden. Aus suchtmedizinischer Sicht sind beide Regulierungsformen zu extrem und damit schädlich für die Konsumenten und die Gesellschaft.

Die Arud setzt sich deshalb für eine strikte Regulierung aller psychoaktiven Substanzen gemäss ihres Schadenspotentials ein. Das heisst, wie die Abbildung zeigt, dass solche Substanz, die der Gesundheit des einzelnen und der Gesellschaft als Ganzes schaden, strenger reguliert werden als jene, von denen ein vergleichsweise geringes Risiko für den einzelnen und für die Gesellschaft ausgeht. Prof. David Nutt, der ehemalige oberster Drogenberater der britischen Regierung, hat im Jahr 2010 das Schadenspotential der verschiedenen Substanzen untersucht. Das Ergebnis zeigt die folgende Abbildung.

Die Arud begrüsst deshalb, wenn die Migros als grösster Detailhändler der Schweiz an ihrem Alkoholverbot festhält, um die Sichtbarkeit und Verfügbarkeit von Alkohol nicht noch weiter zu erhöhen.

Antje Babbe
freie Mitarbeiterin Kommunikation