Vorurteile abbauen, Genesung fördern

9 von 10 Menschen mit einer Abhängigkeitserkrankung erhalten in der Schweiz keine passende Behandlung oder haben keinen Zugang dazu. Dabei wäre dies dringend notwendig, denn diese Versorgungslücke hat gravierende Folgen: für die Betroffenen selbst, aber auch für ihre Familien und die Gesellschaft.


Wir zeigen auf, was die Ursachen für diese Versorgungslücke, den so genannten «Treatment Gap», sind und was sich ändern muss, damit mehr Menschen mit einer Suchterkrankung die Hilfe erhalten, die sie brauchen.

Ursachen erkennen und behandeln

Angststörung, depressive Verstimmung, posttraumatische Belastungsstörung und ADHS treten besonders häufig in Kombination mit einer Abhängigkeitserkrankung auf. Positive Veränderungen des Konsumverhaltens sind oft nur möglich, wenn Begleiterkrankungen erkannt und behandelt werden.

Aus Angst vor Ablehnung und Ausgrenzung oder dem Verlust des Arbeitsplatzes trauen sich viele Menschen nicht, über ihre Probleme zu sprechen oder bagatellisieren sie.

Mehr dazu

minus
minus

Vorurteile und mangelndes Wissen über Abhängigkeitserkrankungen: es fehlt oft an Empathie und Schuldzuweisungen an die Betroffenen schwingen immer unterschwellig mit. Und das obschon Abhängigkeit seit 50 Jahren offiziell als chronische und behandlungsbedürftige Erkrankung anerkannt ist.

Wir müssen den Dialog über Suchterkrankungen aufrechterhalten und über Ursachen, Auswirkungen und Behandlungsmöglichkeiten sprechen, damit die Gesellschaft von der Stigmatisierung und Stereotypisierung wegkommt –also dem Aufdrücken eines falschen Stempels auf alle Menschen mit einer Abhängigkeitserkrankung.

Befähigen statt verurteilen

Eine einfühlsame und unterstützende Haltung ist entscheidend, damit Menschen sich gesehen, respektiert und ermutigt fühlen, die Unterstützung zu suchen, die sie brauchen. Ständig beschuldigt, diskriminiert und ausgegrenzt zu werden, kann bei Betroffenen tiefe Scham- und Schuldgefühle auslösen und den Heilungsprozess ausbremsen oder gar ganz verhindern.

Weiterlesen

minus
minus

Es ist wichtig, Menschen mit probelmatischem Konsum zu befähigen, ihre Stimme zu erheben und ihre Erfahrungen zu teilen, um das Bewusstsein für die Realität der Sucht zu schärfen und Stereotypen entgegenzuwirken.

Als Gesellschaft müssen wir umdenken und Betroffene nicht verurteilen oder ausgrenzen, sondern sie unterstützen, indem ein Klima geschaffen wird, in welchem offen über Konsumprobleme gesprochen werden kann.

Fachleute sensibilisieren und schulen

Abhängigkeitserkrankungen sind in der Schweiz weit verbreitet. Trotzdem beträgt der Ausbildungsteil über das Thema im Medizinstudium oder in der Pflegeausbildung nur wenige Stunden! So kann es Betroffenen auch dann schwerfallen, über ihre Probleme zu sprechen, wenn das Gegenüber eine Fachperson ist.

Es braucht landesweit ein einheitliches Konzept, um Fachpersonal im Umgang mit Betroffenen zu sensibilisieren und zu schulen, damit Menschen, die dringend Hilfe benötigen, angemessen behandelt werden.

Weiterlesen

minus
minus

In Arztpraxen oder Spitälern werden Betroffene oftmals weniger ernst genommen und es wird ihnen weniger Mitgefühl und Unterstützung entgegengebracht. Sie werden fälschlicherweise eher als nicht kooperativ oder willentlich unzuverlässig eingestuft. Dass sich hinter bestimmten Verhaltensweisen psychische Erkrankungen wie ADHS oder Depressionen verbergen, wird aufgrund von Fehlannahmen und Vorurteilen nicht in Betracht gezogen.

Chance und Rolle der Medien

Werden in den Medien ständig klischeebehaftete Charaktere und Situationen dargestellt – wie beispielsweise verwahrloste, arbeitslose Personen oder betrunkene, schlecht ansprechbare Menschen – kann das die bestehenden Vorurteile verstärken.

Berichterstattungen sollten immer die komplexe Realität der Abhängigkeitserkrankung widerspiegeln und die menschlichen Aspekte der Betroffenen hervorheben. Medienschaffende haben hier eine grosse Chance zur Entstigmatisierung beitragen zu können: einerseits in der Wahl von Personen und Lebensrealitäten, die sie aufzeigen, und andererseits in der Einhaltung einer angemessenen Wortwahl und dem Verzicht auf stigmatisierende Sprache.

Alternativen für das Wort «Junkie»

minus
minus

Es ist erwiesen, dass eine respektvolle und nicht wertende Sprache, wie z. B. die "Person-First"-Sprache, dazu beitragen kann, Stigmatisierung abzubauen und die Betroffenen als gleichwertige Mitglieder der Gesellschaft darzustellen.

Ziel ist es, die Person und nicht ihre Krankheit in den Mittelpunkt zu stellen. Der Mensch wird als Ganzes gesehen. Seine Würde und Individualität werden anerkannt, ohne ihn über gesundheitliche oder soziale Probleme zu definieren.

Anstelle von «die Süchtigen» könnte man zum Beispiel sagen: «die Menschen mit einer Abhängigkeit». Auf den Begriff «Junkie» sollte übrigens unbedingt verzichtet werden, da «Junk» aus dem Englischen kommt und «Abfall» bedeutet.

Behandlung für alle zugänglich machen

Anerkannte medizinische Therapien müssen laut Schweizer Gesetz allen Einwohner:innen zur Verfügung stehen, aber bis heute ist das noch nicht der Fall. Es braucht Gesetze und Richtlinien, die nicht stigmatisieren und die Gleichbehandlung und den Zugang zu Hilfe und Therapie für alle sicherstellen.

Weiterlesen

minus
minus

Es gibt beispielsweise Kantone, die sich weigern, die anerkannte heroingestützte Behandlung anzubieten, und auch Insass:innen von Gefängnissen haben keinen Zugang zu dieser Behandlung, obwohl sie für einen Teil der Menschen mit einer Heroinabhängigkeit die einzige wirksame und gut verträgliche Therapie ist.
Menschen mit Suchtproblemen werden in unserem Rechtssystem oft benachteiligt: Sie erhalten oft härtere Strafen und haben weniger Zugang zu Unterstützungs- und Rehabilitationsprogrammen.
Die Bereitstellung leicht zugänglicher und qualitativ hochwertiger Behandlungs- und Unterstützungsdienste für alle Betroffenen ist von entscheidender Bedeutung, um ihnen zu mehr Gesundheit und Lebensqualität zu verhelfen. Dies umfasst sowohl medizinische als auch psychosoziale Unterstützung sowie Sozialarbeit und Peer-Arbeit.

Es braucht uns alle!

Um die Versorgungslücke zu schliessen, sind wir alle gefragt. Es braucht ein gesellschaftliches und politisches Umdenken, damit alle von Abhängigkeit Betroffenen die Unterstützung erhalten, die sie brauchen. Je weniger Vorurteile und Klischees das Thema Abhängigkeit bestimmen, desto eher kann ein Klima geschaffen werden, in dem sich Betroffene trauen, die Hilfe in Anspruch zu nehmen, die sie benötigen.


Alle Illustrationen ©Benjamin Hermann

Das Poster zum Jahresrückblick 2023


Das Poster zum Jahresrückblick 2023 zeigt mögliche Strategien auf, um die Versorgungslücke bei Abhängigkeitserkrankungen zu schliessen.

Sie finden unsere Arbeit grossartig?

Wir freuen uns über Ihre Unterstützung, denn nicht alle Engagements der Arud können über die Krankenversicherung abgerechnet werden und so sind wir für besondere Angebote und Pionier-Projekte auf Spender:innen angewiesen. Gemeinsam sind wir stärker! Erfahren Sie hier, wie Sie die Arud untersützen können.

Für Auskünfte:

Patrizia De Nicoli
Projektleiterin Kommunikation 058 360 50 00 mail arud@arud.ch
Telefon
E-Mail
Formular
Feedback