Sinnvoll regulieren – jenseits von Verbot und Verharmlosung

Der Konsum psychoaktiver Substanzen und Aktivitäten mit hohem Suchtpotenzial birgt Risiken für Einzelne und die Gesellschaft. Darum greift der Staat regulierend ein. Aber oft ist die Regulierung historisch gewachsen und nicht wissenschaftlich fundiert. Das führt zu Über- oder Unterregulierungen mit unerwünschten Folgen – wie einem florierenden Schwarzmarkt oder verharmlostem Konsum.

Wir setzen uns für eine differenzierte, ausgewogene Regulierung ein, um sowohl den Schutz der Bevölkerung als auch einen verantwortungsvollen Umgang durch die Konsument:innen zu stärken.

Dies sind unsere fünf zentralen Prinzipien für eine sinnvolle Regulierung:

Risiko jedes Produkts realistisch einschätzen

Jede Substanz birgt unterschiedliche gesundheitliche, soziale und finanzielle Risiken. Diese unterschiedlichen Risikoprofile erfordern eine unterschiedliche Herangehensweise bei der Regulierung.

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Opioide haben beispielsweise ein ähnliches Abhängigkeitspotential wie Alkohol, während Psychedelika ein deutlich geringeres haben. Nikotin hat ein hohes gesundheitliches Schadenspotenzial, wohingegen Cannabis bei Erwachsenen unter geeigneten Rahmenbedingungen und Konsumformen (nicht geraucht) vergleichsweise wenig schädlich ist.

Soziale Folgen betreffen etwa Arbeitsfähigkeit oder die Auswirkungen auf das familiäre Umfeld wie Kinder. Finanzielle Kosten entstehen durch Behandlung, Prävention oder Produktivitätsausfälle.

Jedes Produkt individuell regulieren

Es gibt keine Einheitslösung für alle psychoaktiven Produkte. Regulierung muss differenziert erfolgen, sich an die spezifischen Risiken jedes Produkts anpassen und verschiedene Regulierungsinstrumente wie Herstellung, Verkauf, Marketing, Preisgestaltung und Besteuerung gezielt kombinieren.

Regulierungsinstrumente im Überblick

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Herstellung: Lizenzvergaben mit klaren Auflagen für Produzenten und Qualitätskontrollen der Inhaltsstoffe können für möglichst sichere Produkte ohne abhängigkeitsfördernde Zusatzstoffe sorgen.

Verkauf: Regelungen zur Art der Verkaufsstellen (je nach Substanz können dies lizenzierte Verkaufsstellen oder ausschliesslich medizinische Fachpersonen sein), strikte Altersbegrenzungen, sorgfältig geschultes Personal sowie fundierte Informationen zu Risiken und Wirkungen ermöglichen einen verantwortungsvollen Zugang.

Marketing: Um Konsumanreize zu vermeiden, können Promotionen, Sponsorings sowie andere Arten der Verkaufsförderung verboten und Produktdeklaration und Warnhinweise gefordert werden.

Preisgestaltung: Ein ausgewogener Preis ist zentral – er soll weder den Konsum fördern noch Konsument:innen in den Schwarzmarkt drängen.

Besteuerung: Eine angemessene Konsumsteuer schafft die finanziellen Mittel für Prävention, Aufklärung und therapeutische Angebote für diejenigen, die einen problematischen Konsum entwickeln.

Konsum: Gut informierte Konsument:innen, die Förderung von Konsumkompetenz und schadensmindernde Angebote sorgen für risikoärmeren Konsum.

Keine pauschalen Verbote – Schwarzmarkt vermeiden

Produkte mit hohem Sucht- und Gefährdungspotenzial einfach zu verbieten, mag auf den ersten Blick logisch klingen. Doch generelle Verbote führen immer zu einem florierenden Schwarzmarkt, der Konsument:innen gefährdet und hohe soziale und finanzielle Kosten verursacht.

Die Erfahrung zeigt: Produkte wie Cannabis und Kokain sind trotz Verbot leicht verfügbar – auch für Minderjährige. Die strenge Regulierung verursacht hohe Kosten für Polizei und Justiz, ohne dass dies den Konsum einschränkt.

Schwarzmarkt und gesellschaftliche Kosten

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In der Schweiz könnten jährlich rund 300 bis 500 Millionen Franken eingespart werden – hauptsächlich durch geringere Polizeieinsätze und Justizkosten. Mehrere Studien belegen, dass sich der Konsum von Cannabis durch die Prohibition kaum einschränken lässt. In verschiedenen Ländern zeigte sich, dass die Legalisierung von Cannabis nicht zu einem signifikanten Anstieg des Konsums führt, wenn bestimmte Rahmenbedingungen berücksichtigt werden.

Legalisierte Produkte nicht verharmlosen

Alkohol und Nikotin sind Paradebeispiele für unzureichend regulierte Substanzen: Beide weisen ein hohes Abhängigkeitspotenzial sowie ein beträchtliches Schadensrisiko für Konsumierende, ihr Umfeld und die Gesellschaft insgesamt auf. Trotzdem sind sie überall leicht erhältlich und unterliegen keinen strengen Werbebeschränkungen.

Folgen der Unterregulierung von Alkohol und Nikotin

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Fehlende Aufklärung und aggressive Vermarktung fördern den Konsum und begünstigen zahlreiche gesundheitliche – bei Alkohol auch schwerwiegende soziale – Folgen. Die Kosten dafür trägt die Gesellschaft. Trotz der bekannten gesundheitlichen Risiken – wie etwa Krebs bei Alkohol und Tabak – wird beides nach wie vor stark beworben und konsumiert.

Tabakfirmen machen ihre Produkte gezielt attraktiv für Jugendliche, indem sie ihre neuen, weniger schädlichen Tabakerhitzer mit verschiedenen Geschmacksrichtungen und auffälligen Farben anbieten, Promotionen durchführen und Festivals sponsoren, um ihre Marken bei jungen Zielgruppen in einem positiven, trendigen Licht darzustellen und eine neue Generation von Kund:innen zu gewinnen.

Wissenschaft als Kompass einsetzen

Regulierungen müssen auf fundierter Forschung und Pilotprojekten basieren. Nur so lassen sich wirksame und angemessene Massnahmen entwickeln und an neue Erkenntnisse anpassen. Die Arud engagiert sich aktiv in wissenschaftlichen Studien zur Cannabisregulierung und ist Partnerin der schweizweit grössten Cannabis-Studie «Swiss Cannabis Research-Zürich».

Sinnvolle Regulierung am Beispiel Cannabis

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Die «Cannabis Research Zürich-Studie» untersucht die Auswirkungen eines legalen und regulierten Zugangs zu Cannabis auf den Konsum, die Gesundheit und das Konsumverhalten. Sie vergleicht auch legalen und illegalen Konsum bezüglich Qualität, Sicherheit und Nutzererfahrungen und untersucht, ob und wie sich der Schwarzmarkt durch Legalisierung verändert.

Auf der Basis von solchen Pilotprojekten kann die Wirksamkeit von Regulierungsmassnahmen fundiert eingeschätzt werden.

Regulatorische Anpassungen sind dringend nötig!

Viele Regulierungen sind historisch gewachsen, politisch oder wirtschaftlich motiviert – und nicht wissenschaftlich fundiert. Auf diese Schieflage weisen wir seit Jahren hin, denn sie führt zu Über- oder Unterregulierungen.

Anpassungen sind nötig – und sie sollten zuerst dort ansetzen, wo der Konsum weit verbreitet ist oder die bestehenden Regulierungen am wenigsten nachvollziehbar sind.


Alle Illustrationen ©Benjamin Hermann

Das Poster zum Jahresrückblick 2024


Das Poster zum Jahresrückblick 2024 zeigt, wie eine ausgewogene Regulierung von Suchtmitteln und Verhaltenssüchten gelingt.

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Für Auskünfte:

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