Arud-Peer-Mitarbeiter:innen berichten von der INHSU 2023
Wie setzen sich Peers rund um den Globus ein? Die Arud-Peers berichten von mutigen Projekten, die an der INHSU – dem weltweit grössten Kongress für die Gesundheit von Menschen mit Substanzkonsum 2023 vorgestellt wurden.
Knapp 800 Teilnehmende aus über 60 Länder kamen in den Genuss eines vielfältigen Programms zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen, mit politischen Debatten und Vorstellungen von innovativen Versorgungsansätzen.
Die Diversität der Teilnehmenden mit einem hohen Anteil an Menschen mit eigener Erfahrung, die Übersetzung aller Vorträge mit Hilfe von künstlicher Intelligenz in zahlreiche Sprachen und die überaus gute Stimmung im grosszügigen Kongressgebäude, das auch von den vereinten Nationen genutzt wird, machten den INHSU2023-Kongress zu einem ausserordentlichen Erlebnis.
Die Arud war an der Kongressplanung zentral involviert und stellte einige Referent:innen und Posterpräsentationen. Mit dabei waren auch unsere Peer-Mitarbeiter:innen. Ein Bericht von Oliver Wehrli, Peer-Mitarbeiter bei der Arud.
Die INHSU 2023 in Genf bot den Arud-Peers eine hervorragende Gelegenheit, Kontakte zu Fachleuten und Community-Mitgliedern aus aller Welt zu knüpfen.
Während der gesamten INHSU haben wir zahlreiche interessante Beiträge von Ärztinnen und Ärzten Forschenden aus aller Welt gehört, die dazu beitragen, die Situation von substanzgebrauchenden Menschen zu verbessern und deren Gesundheit zu fördern. Oftmals wurden Vorträge mit Unterstützung von Peers durchgeführt, wodurch die jeweilige Zielgruppe besser erreichet wurde und höhere Akzeptanz fand.
Peers zeigen Eigenitiative
Es wurden auch viele Projekte vorgestellt, die von Peers selbst initiiert wurden. Besonders hervorzuheben sind die Präsentationen der Gewinnerinnen des Jude Byrne Emerging Female Leader Award 2023: Jessica Morales und Kira Whatson. Jessica plant die Gründung einer Peer-Organisation in Guatemala, die sich verstärkt für die Drogenpolitik und die Rechte von substanzgebrauchenden Menschen einsetzt. Kira wiederum plant die Entwicklung eines speziellen Angebots für Frauen, inspiriert von bemerkenswerten Projekten wie Metzineres in Spanien und Chemical Sisters in Italien.
In der Diskussionsveranstaltung über Substanz-Konsumräume am Community-Tag, berichteten Joana Canedo aus Portugal und Mat Bon aus Kanada, die in Eigeninitiative Drogenkonsumräume gegründet haben. Im Fall von Joana geschah dies völlig inoffiziell und mit sehr wenig Geld. Beide Peers zeigten viel Mut, als sie ihre Projekte starteten, und gingen das Risiko ein, verantwortlich gemacht zu werden sollte etwas Schlimmes passieren, wie Gewalttaten oder Überdosierungen.
Kritische Stimmen zum Projekt in Athen
Der Substanz-Konsumraum in Athen wurde in derselben Veranstaltung vorgestellt und von der Community besonders kritisch aufgenommen. Er ist wie ein Krankenhaus organisiert. Besucher:innen müssen zuerst einen Arzt aufsuchen, der dann entscheidet, ob sie überhaupt eingelassen werden. Zudem ist der Raum weit entfernt von den Orten, an denen sich substanzgebrauchende Menschen normalerweise treffen. Die Community fordert generell ein Mitspracherecht bei der Einrichtung und Ausstattung der Räume und möchte auch die Möglichkeit haben, kleine Mengen an Substanzen vor Ort zu kaufen. Wenn sie jedes Mal den Ort verlassen müssen, um neue Substanzen zu erwerben, laufen sie immer noch Gefahr, von der Polizei aufgegriffen zu werden oder einen Gewaltakt zu erleiden.
Das Engagement hört nicht bei Konsumräumen auf
Konsumräume sind nur ein Teil der Lösung. Erforderlich ist auch eine sichere Versorgung in der gesamten Lieferkette, von der Produktion über den Transport bis hin zum Vertrieb. Viele Menschen in Südamerika sterben beispielsweise bei der Herstellung und dem Schmuggel von Kokain.
Andere Peers engagieren sich stärker für die Verbesserung von Detailfragen, wie Mat Southwell in Zusammenarbeit mit Unitaid. Sie arbeiten daran, dass substanzgebrauchende Menschen geeignete Injektionsausrüstungen erhalten oder an der Optimierung der Verabreichung von lang wirkendem Buprenorphin-Depotspritzen.
Es gibt noch viele andere Beispiele von Peers, die sich für die Rechte und die Gesundheit von Menschen mit einer Substanzabhängigkeit einsetzen und sehr positive Veränderungen in der Gesellschaft bewirken. Auf der nächsten INHSU in Athen werden wir sicherlich neue Projekte und Forschungsergebnisse sehen, die diesen positiven Wandel belegen.
Selbstberichte
In diesem Zusammenhang möchte ich Louise Hansford erwähnen, die an einer Podiumsdiskussion zum Thema “Surfacing productive difference” teilnahm. Louise erzählte viel über ihr Leben und wie es sich verbessert hat, als sie für sich und in ihrer Situation entschied, überhaupt keine psychoaktiven Substanzen mehr zu verwenden. Eine Aussage von ihr ist mir besonders im Gedächtnis geblieben: “Mein Drogenkonsum war außerordentlich chaotisch, ich stand regelmäßig auf der Vermisstenliste und ich war im Gefängnis und wieder draußen. Kann ich so eine gute Mutter sein, wenn ich derart unkontrolliert Drogen nehme?"